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Pflanzliche Süßwaren – Hürden und Lösungen

Die Nachfrage nach pflanzlichen Süßwaren wächst

Der Markt für pflanzliche Produkte wächst kontinuierlich. Laut dem Good Food Institute (GFI) ist der Umsatz ebenso wie die Absatzmenge von pflanzenbasierten Produkten in Europa von 2020 bis 2022 um 21% gestiegen. Auch pflanzliche Süßwaren sind Teil dieses Aufwärtstrends. So verzeichnete beispielsweise Speiseeis 2020-2022 ein Umsatzwachstum von 14%. Desserts legten sogar 27% an Umsatz zu.1 Trotz dieses Umsatzwachstums zeigen Gespräche mit Kundschaft und Produzenten, dass pflanzliche Süßwaren noch viel Potenzial besitzen.

Eine Kategorisierung pflanzlicher Produkte in 4 Szenarien

Haltbarkeit, Kosten, Allergene: pflanzliche Süßwaren bieten zahlreiche Vorteile

Die Produktion pflanzlicher Süßwaren ist attraktiv: Mit einer pflanzlichen Rezeptur können oft Kosten gespart werden, zum Beispiel beim Zutateneinkauf – so ist Margarine deutlich günstiger als Butter. Auch die Haltbarkeit von Lebensmitteln kann sich verbessern, wenn beispielsweise Eier durch pflanzliche Alternativen ersetzt werden. Abgesehen von möglichen Spuren sind pflanzliche Süßwaren zudem oft ei- und laktosefrei, wodurch sie meist die Kriterien für halal und koscher erfüllen, was sie auch für Exportmärkte interessant macht.

Die Umstellung auf eine rein pflanzliche Rezeptur kann Herausforderungen mit sich bringen – abhängig vom Produkt, den Zutaten und dem Image des Produkts. Im Folgenden werden die häufigsten Herausforderungen bei der Umstellung auf pflanzliche Süßwaren betrachtet und passende Lösungen präsentiert, die für verschiedene Sortimentsstrategien geeignet sind.

Szenario A: „Bewusst vegan“ – Rezeptur ist vegan und das Produkt als vegan gekennzeichnet

Bekannte Marken haben bereits damit begonnen, dem pflanzlichen Segment eine eigene Produktlinie zu widmen. Auf deren Verpackung oder Preisschild ist häufig die Beschriftung „vegan“, „pflanzlich“ oder ein Siegel wie das V-Label prägnant platziert. Dadurch sind diese Produkte für ein veggie-affines Publikum leicht auffindbar. Die Chancen für eine erfolgreiche Vermarktung dieser Produkte liegen vor allem im Bereich Produktentwicklung und Kommunikation:

1. Überzeugender Geschmack: Das Produkt sollte sich durch Geschmack, Preis und Verpackung von der Konkurrenz abheben. Legen Sie besonderen Wert auf den Geschmack. Oftmals gibt die Kundschaft neuen Produkten nur eine einzige Chance – wenn Geschmack und Textur nicht überzeugen, kauft sie es kein 2. Mal.

Unser Rat: Lassen Sie das Produkt deshalb im Vorfeld ausreichend testen, im Unternehmen, im Familien- und Freundeskreis oder direkt von Ihrer Zielgruppe, zum Beispiel durch unsere Testcommunity.

2. Zielgruppengerechte Kommunikation: Definieren Sie Ihre Zielgruppe und sprechen Sie diese mit einer spezifischen Launch-Kampagne an. Wichtig ist außerdem eine intuitive Platzierung des Produkts am Point of Sale. So werden beispielsweise die veganen Schokoladen-Sorten von Lindt und Ritter Sport im Lebensmitteleinzelhandel häufig nicht bei ihren tierischen Pendants platziert, sondern in einem separaten, manchmal weit entfernten Regal.

Unser Rat: Experimentieren Sie als Produzent gemeinsam mit dem Handel an der optimalen Platzierung, zum Beispiel im Rahmen eines Aktionszeitraumes.


ProVeg empfiehlt eine klare Kennzeichnung pflanzlicher Produkte, um potenzielle Kund:innen schnell zu informieren. Ob die Kennzeichnung prägnant auf der Vorderseite platziert ist oder erst auf den zweiten Blick auf der Rückseite neben der Zutatenliste erkennbar, hängt davon ab, welche Zielgruppe mit dem Produkt angesprochen werden soll. Mehr zur erfolgreichen Benennung und Kennzeichnung pflanzlicher Produkte finden Sie in unserem Toolkit.

  • ProVeg verfügt über eine engagierte Testcommunity mit mehr als 20.000 veganen und mischköstlichen Mitgliedern. Sie können Ihnen helfen, Ihre Produkte bezüglich Geschmack, Verpackung, Image und Sichtbarkeit zu evaluieren.
  • ProVeg bietet Kooperationspartnern Sichtbarkeit auf verschiedenen Kommunikationskanälen, die sich an eine veggie-interessierte Zielgruppe richten, beispielsweise die Bewerbung ausgewählter V-Label-lizensierter Produkte auf Instagram, eine Platzierung in der Veggie-Challenge oder bei Rezept-Kooperationen.

Szenario B: „Unabsichtlich vegan“ – Rezeptur ist vegan, aber das Produkt nicht als vegan gekennzeichnet

Süßigkeiten
Source: Unsplash/Fly D.

Einige Süßwarenhersteller haben Produkte, deren Rezeptur bereits rein pflanzlich ist, die aber nicht als vegan gekennzeichnet sind, zum Beispiel einige Sesamriegel oder Spekulatius. Das kann entweder daran liegen, dass die Rezeptur schlichtweg nie tierische Bestandteile enthalten hat oder dass diese aus anderen Gründen bereits ausgetauscht wurden. So wurde beispielsweise in Oreo-Keksen das Schmalz aus der Rezeptur entfernt, um das Produkt koscher zu machen. Ohne die entsprechende Kennzeichnung sind diese Produkte nicht sofort als pflanzlich erkennbar, wodurch die veggie-affine Kundschaft diese möglicherweise übersieht.

ProVeg empfiehlt, pflanzliche Produkte klar und schlicht zu kennzeichnen, zum Beispiel mit dem V-Label. Im 3. Im letzen Teil gibt es weitere praktische Tipps zur Herstellung pflanzlicher Lebensmittel.


Szenario C: „Easy Wins“ – Produkt enthält lediglich wenige, leicht substituierbare tierische Bestandteile

Einige Süßwaren und Snacks enthalten nur wenige tierische Zutaten, wie Butterreinfett in manchen Zartbitterschokoladen oder Magermilchpulver in einigen Schokoriegeln. Für diese Produkte lohnt es sich, die Rezeptur gründlich auf essenzielle Zutaten zu überprüfen und das vielfältige Angebot an funktionellen pflanzlichen Inhaltsstoffen für Geschmack, Textur oder Haltbarkeit zu evaluieren (Teil 3).

Szenario D: „Herausforderung angenommen“ – wenn tierische Inhaltsstoffe essenziell sind

Manche Süßwaren definieren sich über ihre tierischen Bestandteile – entweder, weil ein tierisches Produkt im Namen auftaucht (zum Beispiel „Butterkekse“, „Milchbrötchen“ oder „Milchschnitte“) oder weil die Rezeptur auf die Eigenschaften der tierischen Bestandteile ausgelegt ist. So übernehmen beispielsweise Hühnereier in manchen Gebäcksorten unterschiedliche Funktionen, die nicht ohne weiteres pflanzlich ersetzt werden können.

  • Bei Produkten wie Butterkeks und Milchschnitte sollten Sie eine neue pflanzliche Produktlinie für all diejenigen aufbauen, die das tierische Original geliebt haben, aber aus persönlichen Gründen (Gesundheit, Tierethik, Religion) nicht mehr darauf zurückgreifen wollen.
  • Sind die tierischen Zutaten zentraler Bestandteil der aktuellen Rezeptur, sollte Ihre Produktentwicklung mit verschiedenen Alternativen (Teil 3) experimentieren. Schauen Sie sich außerdem die Start-ups des ProVeg-Incubators an, die innovative Alternativen entwickeln. ProVeg berät Sie gern.

Der Sektor für pflanzliche Süßwaren ist vielfältig gestaltbar: Abhängig von Ihren Zielen können sich durch geschicktes Marketing oder geringfügige Rezepturanpassungen neue Möglichkeiten eröffnen. ProVeg steht Ihnen bei der Umstellung auf pflanzliche Süßwaren beratend zur Seite.

Zutatenkunde: Pflanzliche Alternativen

Süßigkeiten
Source: Unsplash/Dan Cristian.

Pflanzliche Alternativen erweitern nicht nur die Zielgruppe, sondern bringen auch auf Produkt- und Prozessebene einige Vorteile mit sich. Zutaten haben unterschiedliche Funktionen, sie können zum Beispiel die Textur, Struktur und Stabilität des Produkts verändern, sensorische Aspekte des Produkts wie Aussehen, Mundgefühl, Geschmack oder Geruch im Produkt beeinflussen und Nährwerte bestimmen.

Hier hilft KitchenTown zusammen mit ProVeg, die Zutaten bei der Herstellung pflanzlicher Süßwaren oder die Umstellung von tierisch zu pflanzlich besser zu verstehen und gemeinsam leckere pflanzliche Süßwaren zu entwickeln.

Pflanzliche Alternativen zu tierischen Zutaten

In der Süßwarenproduktion gibt es einige Zutaten tierischer Herkunft wie Milch, Milchpulver, Butter, Butterreinfett, Eier, Honig, Bienenwachs oder Gelatine. Anhand ausgewählter Süßwarenkategorien werden im Folgenden einige pflanzliche Zutaten vorgestellt und gezeigt, wie sie gewisse Eigenschaften der tierischen Zutaten imitieren können.

Schokolade

Süßigkeiten
Source: Unsplash/Towfiqu Barbhuiya.

In Milchschokolade wird Milchpulver verwendet, um die geeignete Viskosität sicherzustellen. Darüber hinaus erhöht Milchzucker die Süße des Produkts und Milchfett trägt zum Mundgefühl bei. Als pflanzliche Zutaten bieten sich dank ihrer Süßkraft Zucker und Sirupe an, die auch Kostenersparnisse in der Produktion mit sich bringen können. Durch die Erhöhung des Kakaobutteranteils kann die Viskosität entsprechend angepasst werden. Da Kakaobutter als Rohstoff preisintensiver ist, kann auf alternative pflanzliche Fette und Kombinationen derer zurückgegriffen werden.

Zuckerwaren

In der Fruchtgummiherstellung liefert Gelatine eine eigene Textur und beeinflusst so das Mundgefühl beim Kauen. Pektine, Agar-Agar oder Carrageen sind in der Lage, ähnliche Texturen zu bilden. Zu beachten ist: Beim Austausch von Gelatine ist kein 1:1-Ersatz möglich, daher empfiehlt es sich, die geeignete Kombination aus verschiedenen Stoffen zu ermitteln. Als alternatives Überzugsmittel zu Bienenwachs eignet sich Carnaubawachs gut.

Süßes Gebäck

Der Austausch von Butter durch pflanzliche Margarine kann in vielen Produkten ohne weitere Rezepturanpassung durchgeführt werden. Eier wiederum erfüllen in Backwaren unterschiedliche Eigenschaften. Dadurch lässt sich ein Ei oft nicht 1:1 ersetzen, sondern es gilt, eine passende Kombination an pflanzlichen Zutaten zu finden. Als Emulgator unterstützt zum Beispiel Sojalecithin die Bildung einer weicheren Krume und wirkt dem Altbacken entgegen. Pflanzenfasern haben eine verdickende Wirkung und können dem Altbackenwerden ebenfalls entgegenwirken. Pflanzliche Hydrokolloide wie Xanthan, Guargummi und Pektin unterstützen durch die wasserbindende Eigenschaft die Textur von Backwaren. Der Austausch von Frischei kann prozessseitige Vorteile mit sich bringen, da pflanzliche Rohstoffe in Pulverform länger Lagerfähigkeit sind. Möglicherweise müssen allerdings manche Prozessschritte wegen der Umstellung von trocken zu nass angepasst werden.

Auch für Milchpulver gibt es valide pflanzliche Alternativen. In ihrer Funktion der Proteinanreicherung und Vermeidung von Austrocknung des Produkts kann Milchpulver durch pflanzliche Proteinpulver teils ersetzt werden, zum Beispiel aus Soja, Ackerbohne oder Erbse. Zutaten aus Ackerbohnen und Erbsen sind zudem nicht als Allergene auszuschreiben.

Nahezu identisch in puncto Geschmack und Funktion sind Proteine oder Fette aus neuartigen Technologien wie der Präzisionsfermentation, eine der vielversprechendsten Innovationen für pflanzliche Alternativen. Sprechen Sie uns gern darauf an.

Produktionsanlagen für pflanzliche Süßwaren: Praxistipps vom V-Label

Um Lebensmittel mit dem V-Label zertifizieren zu lassen, kommt es neben tierfreien Zutaten auch auf den Herstellungsprozess an.

Für die Produktion von V-Label-Artikeln ist keine gesonderte Produktionsstätte oder Produktionsanlage notwendig. Dadurch entfällt bereits ein großer Teil möglicher Investitionskosten. Sollten vor der Produktion von V-Label-Artikeln Lebensmittel mit tierischen Inhaltsstoffen produziert werden, muss die Anlage anschließend entsprechend gereinigt werden. Andernfalls ist das Risiko für Kreuzkontaminationen zu groß und Rückstände würden dann nicht mehr unter die sogenannten unbeabsichtigten Einträge fallen. Wie genau diese Reinigung aussieht, hängt vom produzierten Lebensmittel ab und fällt von Anlage zu Anlage individuell aus.

  • Produktionsstätten von trockenen Produkten sind leichter zu reinigen als solche, in denen hochviskose oder fetthaltige Lebensmittel hergestellt werden.
  • Bei trockenen Produkten reichen je nach Bauart der Anlage oftmals Pressluft und eine Bürste.
  • Bei hochviskosen oder fetthaltigen Produkten wird häufig eine CIP-Reinigung nach den Standards des Allergenmanagements empfohlen.

Spezialfall Schokolade

Es gibt Produkte wie Schokolade, bei denen die Anlagen aufgrund der technischen Eigenschaften nicht nach jeder Produktcharge unkompliziert gereinigt werden können. Weil eine echte Reinigung nach jeder Produktionscharge sehr teuer wäre, werden die Anlagen stattdessen solange mit veganer Schokolade gespült, bis der Anteil an Kontaminanten beherrscht werden kann. Diese „Spülschokolade“ wird nicht zum veganen Produkt verarbeitet, sondern kann stattdessen als Rework anderen, nicht-veganen Produkten zugeführt werden. Nach diesem Spülvorgang wird mit der eigentlichen Produktion der veganen Schokolade begonnen. Wie genau dieses Reinigungsverfahren für eine konkrete Anlage aussehen kann, lässt sich in einem Vorgespräch mit unserem V-Label-Team klären.

Allergen-Kennzeichnung

Das V-Label oder der Begriff „vegan“ ersetzen keinen Allergenhinweis. Auch V-Label-Produkte können Spuren von Allergenen enthalten. Die Zertifizierung erlaubt ungewollte Kontaminationen in der Produktion bis zu 0,1%.

In vielen Fällen ist eine Umstellung auf eine vegane Produktion gut machbar. Das Team von ProVeg steht Ihnen für Fragen rund um eine V-LabelZertifizierung, B2B-Marketing und Produkttests zur Verfügung. Unser Incubator unterstützt außerdem mit Expertise und Kontakten zu innovativen Start-ups.


Ihre Ansprechpartner:innen


  • ProVeg e.V.
  • Virginia Cecchini Kuskow
  • Project Manager – Food Industry & Retail
  • [email protected]

References

  1. GFI EUROPE (2023): Europe: Plant-Based Foods Retail Market Report (2020-2022). https://gfieurope.org/wp-content/uploads/2023/04/2020-2022-Europe-retail-market-insights_updated-1.pdf

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